Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.
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Gastronomen am Pranger

Hygiene-Negativliste: DEHOGA hat rechtliche Bedenken

Von Stephan Büttner

Die in jüngster Zeit aufgedeckten Gammelfleischskandale haben mit dazu geführt, dass am 1. Mai 2008 das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft getreten ist, welches dem Verbraucher mehr Informationsrechte zubilligt. Das Thema hat jetzt auch Gastronomen des Berliner Bezirks Pankow erreicht. Das dortige Bezirksamt hat Anfang März 2009 im Zuge der Einführung eines „Hygiene-Smileys“ auch eine „Hygiene-Negativliste“ im Internet veröffentlicht.

In dieser Liste stehen 39 Betriebe aus Gastronomie, Einzelhandel und Handwerk, die gegen gesetzliche Hygienevorschriften verstoßen haben. Die Mängel, die die Behörde im Rahmen von unangekündigten Kontrollen festgestellt hatte, wurden ebenfalls auf dieser „Negativliste“ veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Liste im Internet hat eine einzigartige, öffentliche Diskussion ausgelöst. Verbraucherverbände, wie Foodwatch, sehen „Negativlisten“ als nützliche und notwendige Verbraucherinformation an und fordern eine flächendeckende Einführung in ganz Deutschland.

Der DEHOGA Bundesverband sieht hingegen massive, rechtliche Bedenken und fordert, dass von der Veröffentlichung solcher Listen zwingend Abstand genommen wird. Gastronomen dürfen nicht leichtfertig und zu Unrecht an den Pranger gestellt und dadurch ihre berufliche Existenz und Arbeitsplätze gefährdet werden. Nach dem Verbraucherinformationsgesetz dürfen die Behörden grundsätzlich von sich aus Informationen über Verstöße gegen Hygienevorschriften, etwa über das Internet, veröffentlichen. Dieser Anspruch besteht allerdings nicht beispielsweise während eines Gerichtsverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens. Wenn also ein Bußgeldverfahren bereits begonnen hat (formelle Anhörung), darf der Betroffene nicht mehr auf die „Negativliste“ gesetzt werden.

Auch muss die Behörde dem Gastronomen vor Veröffentlichung der Informationen schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme /Anhörung (in Bezug auf die beabsichtigte Veröffentlichung) innerhalb eines Monats geben.

Die Behörde ist zudem verpflichtet, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, und muss eine sorgfältige und verantwortungsvolle Interessenabwägung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Folgewirkungen vornehmen. Hier stellt sich vor allem die Frage, ob leichte, geringfügige Verstöße gegen Lebensmittelhygienevorschriften bereits eine Aufnahme in eine „Negativliste“ und die damit verbundene Imageschädigung des Gastronomen rechtfertigen.

Vor allen Dingen muss sichergestellt sein, dass ein auf der Liste stehender Gastronom nach Mängelbeseitigung zeitnah, das heißt im Zweifel sofort (zumindest innerhalb weniger Tage), von dieser Liste gestrichen wird. Es wäre unverhältnismäßig, wenn der Gastronom in unberechtigter Weise mehrere Wochen oder sogar Monate auf der „Negativliste“ und somit öffentlich am Pranger stehen würde. Ob die Lebensmittelkontrollbehörden mit ihrem geringen Personalbestand überhaupt in der Lage sind, die erforderlich werdenden Nachkontrollen durchzuführen und die „Negativliste“ auf einem aktuellen Stand zu halten, ist höchst zweifelhaft. Wenn aber zeitnahe Nachkontrollen nicht gewährleistet werden können, darf keine derartige Liste veröffentlicht werden.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer im DEHOGA Bundesverband, Berlin.