Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.
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DEHOGA Präsident Guido Zöllick: Das Gastgewerbe ist unverzichtbar

Anlässlich einer Anfrage des Merkur teilte der DEHOGA mit:

Seit 2. November sind sie zu. Wirtshäuser, Gasthöfe, Restaurants, Bars und Kneipen, Hotels und Pensionen, Ferienanlagen und Biergärten. Keine Frage: Gastronomie und Hotellerie müssen in der Coronavirus-Pandemie in Deutschland mächtig einstecken. Ein Interview über schier grenzenlose Enttäuschung, Sehnsucht nach Lebensfreude und das Ende der Geduld.

Merkur.de: Herr Zöllick, wie viele Gastronomen und Hoteliers sehen nach Monaten im Lockdown keine Zukunft mehr für Ihre Unternehmen?

Guido Zöllick: In unserer jüngsten Umfrage vom März gab jeder vierte Unternehmer an, dass er konkret eine Betriebsaufgabe in Betracht zieht. Das muss nicht zwingend eine Insolvenz sein. Das kann eine Familie sein, die unter diesen Umständen keine Perspektive mehr für ihren Betrieb sieht. Ein Beispiel: Bin ich mit 60 Jahren nochmal bereit, einen Kredit aufzunehmen? Oder der Unternehmer, der nicht auch noch seine Altersvorsorge verlieren will. Es gibt aber auch diejenigen, die durch die Corona-Krise wirtschaftlich ruiniert sind und Insolvenz beantragen müssen. Die Not im Gastgewerbe ist riesig. 75 Prozent der Betriebe fürchten um ihre Existenz.

Mit Blick auf Ihre Mitgliedschaft: Wer ist am stärksten betroffen?

Alle Gastgeber haben die Möglichkeit, bei uns im Dehoga-Verband Mitglied zu werden. Wir sprechen von Hotels und Pensionen, Restaurants, Raststätten an Autobahnen, Caterern und Discotheken. Die Discos und Clubs sind wahnsinnig hart betroffen, viele von ihnen sind seit Beginn der Corona-Pandemie dauerhaft geschlossen. Besonders dramatisch ist auch die Lage der Stadt- und Tagungshotellerie sowie all der Betriebe, die von Veranstaltungen abhängen. Messen, Kongresse und Events finden nicht statt, Touristen fehlen schmerzlich, Geschäftsreisen gibt es so gut wie nicht.

Fühlt sich Ihre Branche benachteiligt?

Unsere Branche erbringt ein Sonderopfer, damit die übrige Wirtschaft und die Schulen geöffnet bleiben können. Diese finanziellen Ausfälle müssen zeitnah, unbürokratisch und umfassend ausgeglichen werden. Wir müssen den Schaden ersetzt bekommen, und zwar zu 100 Prozent und nicht nur ein bisschen.

Weil nicht zu 100 Prozent entschädigt wird?

Die Fixkostenerstattung im Rahmen der Überbrückungshilfe muss mit Blick auf den Endlos-Lockdown der Branche bei allen Unternehmen auf 100 Prozent erhöht werden. Im Moment wird nach Betriebsgröße gestaffelt. Nur 70 bis 90 Prozent der Fixkosten werden erstattet. 30 Prozent trage ich als Unternehmen im schlechtesten Fall selbst, obwohl ich keinen Umsatz mache. Das geht so nicht. Positiv ist die nun erfolgte Verbesserung bei der Überbrückungshilfe III mit dem neuen Eigenkapitalzuschuss für die Betriebe, die länger als zwei Monate geschlossen sind. Dafür hat sich der DEHOGA stark gemacht. Insbesondere muss jetzt sichergestellt werden, dass alle betroffenen Unternehmen unabhängig ihrer Größe wirksame Unterstützungsleistungen in den Monaten des Lockdowns erhalten.

In der Corona-Krise wird seit Längerem diskutiert, dass die Politik nicht mehr wisse, wie es an der Basis aussieht. Zum Beispiel, wie es in einem Wirtshaus zugeht. Was dort tatsächlich an Arbeit anfällt.

Der eine oder andere Entscheider braucht in der Tat Nachhilfe darin, wie Gastronomie oder Hotellerie funktioniert und was die Corona-Maßnahmen für die Betriebe, ihre Mitarbeiter und Familien bedeuten. Wir haben aber auch gute Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und Landtagsabgeordneten. Die Politiker müssen auch wissen, für welche Wertschätzung unsere Branche steht. Da gibt es zum Beispiel den Künstler X, der jeden Freitagabend im Gasthof Y gespielt hat. Die Brauerei kann ihr Bier nicht mehr verkaufen. Die Wäscherei hat keine Aufträge mehr. Der kleine landwirtschaftliche Bio-Betrieb bekommt sein Fleisch oder sein Gemüse nicht mehr los. Die weitreichenden und tiefgehenden Corona-Beschränkungen für unsere Branche treffen auch unsere Partner mit voller Wucht. Das müssen die Politiker bei ihren Entscheidungen auch im Blick haben.

Auch, welche gesellschaftliche Rolle Gastronomie und Hotellerie spielen?

Wir sind mehr als Orte, wo die Leute essen, trinken und schlafen können. Es geht ja nicht nur darum, dass man bei uns satt wird. Unsere Betriebe sind Orte der Begegnung und des Genusses. In unseren Betrieben kommen Menschen zusammen, tauschen sich aus. Wir stehen für Lebensfreude und Lebensqualität. Das fehlt den Menschen gerade extrem. Das Gastgewerbe ist für das Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbar und deshalb muss die Politik alles dafür tun, das Überleben der Branche zu sichern.

Viele Gastronomen und Hoteliers warten indes weiter, was man so hört, auf ihre Wirtschaftshilfen vom Staat.

Die November- und Dezemberhilfen haben lange gebraucht, sind mittlerweile aber tatsächlich an 90 Prozent der kleineren Betriebe vollumfänglich ausgezahlt worden. Allerdings ist es für die verbliebenen 10 Prozent absolut inakzeptabel, dass die Auszahlungen weiter auf sich warten lassen. Insbesondere die großen Betriebe, die über 1,8 Millionen Euro Hilfen hinausgehen, haben vielfach noch kein Geld bekommen. Für sie gibt es eine sogenannte Schadensregulierung. Diese können die Unternehmen aber erst seit dem 27. Februar überhaupt beantragen.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich weiß von einer Hotelgruppe mit deutschlandweit fast 30 Häusern, zum Teil in teuren Innenstadtlagen. Da können sich die laufenden Fixkosten wie Pachten schnell auf mehrere Millionen Euro summieren. Die Bundesländer, die die Bewilligungen vornehmen, müssen hier Gas geben. Das sind richtig große Arbeitgeber. Zigtausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.

Und der Frust bei den Kollegen sitzt tief?

Total. Viele meiner Kollegen stehen mit dem Rücken zur Wand, sind nervlich und finanziell am Ende. Bei vielen Unternehmern haben sich Riesen-Frust, Enttäuschung und Wut angesammelt. Ich habe ja nicht ein Unternehmen aufgebaut und mich selbständig gemacht, damit ich vom Staat Unterstützungshilfe brauche. Ich will arbeiten, meine Mitarbeiter wollen arbeiten. Das können wir seit sechs Monaten nicht. Da bekommst du mental Schwierigkeiten.

Die Politik verweist stets auf eine unsichere Datenlage zum Corona-Infektionsgeschehen.

Es ist nicht zu verstehen, dass wir immer noch keine belastbaren Daten haben, um das Infektionsgeschehen zu bewerten und daraus sinnvolle und zielgerichtete Maßnahmen abzuleiten. Wir haben ein Jahr lang Pandemie, lernen aber gefühlt nichts dazu! Zudem erwarten wir eine maximale Kraftanstrengung beim Impfen und Testen sowie Verlässlichkeit. Wenn Beschlüsse der MPK (Ministerpräsidentenkonferenz, d. Red.) wieder zurückgenommen oder in einzelnen Ländern nicht umgesetzt werden, verlieren wir das Vertrauen in die Politik. Unsere Branche braucht dringend eine Perspektive. Dazu bedarf es eines Maßnahmenkatalogs, der klar und bundeseinheitlich regelt, ab welchen Werten geöffnet werden kann und ab wann geschlossen werden muss. Dabei darf nicht mehr nur auf die Inzidenz geschaut werden. Kriterien müssen sein: Wie viele Leute haben wir geimpft. Wie funktioniert die Teststrategie. Wie ist die Auslastung auf den Intensivstationen.

Zur zeitlichen Perspektive: Wann müssen Gastronomie und Hotellerie Ihrer Meinung nach spätestens wieder öffnen dürfen?

Wir wissen anhand der Statistiken des Robert-Koch-Instituts, dass die Gastronomie und Hotellerie überhaupt keine Pandemie-Treiber sind. Unsere Schutz- und Hygienekonzepte funktionieren. Tests für Mitarbeiter und Gäste sind ein weiterer wichtiger Baustein für ein sicheres und verantwortungsvolles Öffnen unserer Betriebe. Wir erwarten, dass wir im Mai sowohl Hotels und Ferienwohnungen als auch Restaurants wieder öffnen dürfen. In jeglicher Form, innen und außen. Das ist viel sicherer, als wenn sich die Leute dicht gedrängt privat zu Hause oder im Stadtpark in Gruppen treffen. Du kannst die Menschen nicht dauerhaft einsperren. Unsere Branche ist nicht das Problem, sondern die Lösung.

Den kompletten Artikel im Merkur finden Sie hier.