Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.
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DEHOGA-Geschäftsführerin Sandra Warden zum Thema Fachkräfteeinwanderung

Anlässlich einer Anfrage der GV-Praxis teilt der DEHOGA mit:

In Hotellerie und Gastronomie fehlen Fachkräfte. Wie groß ist die Lücke derzeit?

Nach den aktuellen Märzzahlen der Bundesagentur für Arbeit waren in Speisenzubereitung, Hotellerie und Gastronomie insgesamt 43.494 offene Stellen gemeldet. Bei 19.780 davon handelt es sich um Fachkräfte oder Spezialisten, bei den anderen um Helfer. Wir gehen allerdings davon aus, dass die gemeldeten Stellen lediglich die Spitze des Eisbergs sind. Ein großer Teil des Bedarfs wird gar nicht gemeldet, weil viele Betriebe die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen die Agenturen ohnehin niemanden vermitteln können. Ich würde schätzen, der tatsächliche Bedarf ist mindestens doppelt so hoch, jetzt zur beginnenden Sommersaison eher noch höher.

Ende März wurde ein Gesetzentwurf abgesegnet, durch den ausländische Arbeitskräfte bei uns leichter Fuß fassen sollen. Gilt das auch für Menschen, die nicht aus der EU kommen?

Ja, der Entwurf der Bundesregierung bezieht sich ausschließlich auf sogenannte Drittstaatsangehörige. Für EU-Bürger gilt Freizügigkeit; diese dürfen ohne Visum und ohne gesonderte Arbeitsgenehmigung in allen EU-Mitgliedsstaaten arbeiten.

Welche Möglichkeiten wird es geben, Drittstaatler einzustellen, die keine formale Qualifikation mitbringen?

Der Entwurf setzt hauptsächlich auf Fachkräfte. Für die nicht formal Qualifizierten gibt es zwei Verbesserungen, die für das Gastgewerbe relevant sind: die Ausweitung der Westbalkanregelung sowie die Einführung der sog. kurzzeitigen kontingentierten Beschäftigung.  Hier dürfte die Ampel nach Auffassung des DEHOGA ruhig etwas mutiger sein. Aber zumindest ist es mal der lange geforderte Einstieg und das Zugeständnis der Politik, dass wir nicht nur einen Fach-, sondern auch einen generellen Arbeitskräftemangel haben. Wir hoffen, dass wir im Bundestag noch weitere Verbesserungen erreichen können.

Was ändert sich bei der Kontingentzuwanderung beziehungsweise Westbalkanregelung?

Die Westbalkanregelung, die eigentlich Ende dieses Jahres hätte auslaufen sollen, wird entfristet und das Kontingent von bisher 25.000 auf 50.000 Beschäftigte pro Jahr verdoppelt. Das ist ein guter Schritt, den der DEHOGA auch so gefordert hatte.

Die Kontingentzuwanderung ist komplett neu. Hier ist vorgesehen, dass die Bundesagentur für Arbeit für Branchen bzw. Berufe, in denen ein Bedarf festgestellt wurde, ein Kontingent festlegen kann. Im Rahmen dieses Kontingents können dann Drittstaatler – unabhängig von Herkunftsland und Qualifikation – für bis zu acht Monate beschäftigt werden. Der Arbeitgeber trägt die Reisekosten und gewährleistet tarifliche Arbeitsbedingungen. Wenn das passt, ist es insbesondere für saisongeprägte Hotels und Restaurants eine interessante Möglichkeit.

Klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Welche Probleme sehen Sie im Zusammenhang mit der Westbalkanregelung?

In den mittlerweile sieben Jahren, die es die Westbalkanregelung gibt, hat sich gezeigt: Das Nadelöhr ist die Visumserteilung. Diese erfolgt in den deutschen Botschaften vor Ort und es gibt viel mehr Nachfrage als Kapazitäten. Dadurch entstehen enorme Wartezeiten und oft scheitert die Einstellung. Daran wird sich ja durch eine Erhöhung des Kontingents nicht automatisch etwas ändern. Das wird erst besser, wenn die personellen und technischen Kapazitäten der Botschaften erhöht werden.

Trotzdem ist die Westbalkanregelung ein guter Ansatzpunkt. Für welche anderen Länder wäre so etwas auch wünschenswert?

Das Attraktive an der Westbalkanregelung ist, dass sie von den rechtlichen Voraussetzungen her sehr einfach ist. Es müssen keine Sprachkenntnisse nachgewiesen, keine Qualifikation geprüft werden etc. Die Arbeitsagentur führt lediglich Vorrang- und Vergleichbarkeitsprüfung durch. Letztlich entscheidet der Arbeitgeber in Deutschland, welcher Mitarbeiter für seinen Betrieb passend und produktiv ist. Das wäre ein sinnvoller Ansatz auch für andere Staaten der Welt. Das kann man nur Stück für Stück machen, da dafür Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern geschlossen werden müssen, die z.B. auch Rücknahmeverpflichtungen festlegen. Man könnte z.B. mit den südostasiatischen Staaten oder Indien starten, mit Kaukasusländern wie Georgien oder den EU-Beitrittskandidaten.

Was ist problematisch bei der Kontingentzuwanderung?

Es gibt zwei größere Haken. Der eine ist: Die Regelung gilt nur für tarifgebundene Arbeitgeber oder bei allgemeinverbindlichem Entgelttarifvertrag. Der zweite: Die Arbeitsagentur muss zunächst ein solches Kontingent für das Gastgewerbe festlegen. Dabei wird sie sich voraussichtlich am statistischen Bedarf orientieren. Wichtig ist deshalb, dass gastgewerbliche Unternehmen alle ihre offenen Stellen melden.

Ein weitere wichtige Maßnahme im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist die Chancenkarte. Was verbirgt sich dahinter?

Die Chancenkarte ermöglicht es Menschen, denen man gute Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zutraut, für bis zu 12 Monate zur Beschäftigungssuche nach Deutschland einzureisen. Es gibt eine paar zwingende Voraussetzungen, dazu kommen mindestens sechs Punkte für bestimmte Potenziale, die der Bewerber mitbringt.

Welche Voraussetzungen werden mit wie vielen Punkten belohnt?

Das ist ein Riesenkatalog. Zum Beispiel bekommt man zwei oder drei Punkte für Deutschkenntnisse, die oberhalb des Niveaus A2 liegen. Es gibt abgestufte Punkte für einschlägige Berufserfahrung, für ein Alter unter 40, für Voraufenthalte oder einen „Paten“ in Deutschland.

Was müssen Arbeitgeber beachten, die einer Arbeitnehmer mit Chancenkarte beschäftigen wollen?

Solange die Chancenkarte gilt, darf man deren Inhaber für eine Nebenbeschäftigung von maximal 20 Stunden pro Woche beschäftigen. Wichtig zu wissen: Die Chancenkarte ist nur ein Suchtitel. Eine „richtige“ Beschäftigung kann daraus nur entstehen, wenn sich aus der „Suchbeziehung“ ein Anhaltspunkt für einen längerfristigen Aufenthaltstitel entwickelt. Das kann z.B. eine Anerkennungspartnerschaft sein.

Was steckt hinter der Anerkennungspartnerschaft, die auch eingeführt werden soll?

Ausländische Fachkräfte bekommen weiterhin am leichtesten dauerhaft eine Arbeitsgenehmigung, wenn ihr ausländischer Berufsabschluss als gleichwertig mit einem deutschen anerkannt wird. Dieses Anerkennungsverfahren muss man normalerweile vor der Einreise durchführen, was oftmals schwierig ist und die Einstellung verzögert. Wenn eine Anerkennungspartnerschaft vereinbart wurde, kann man dieses ganze aufwändige Verfahren gemeinsam in Deutschland durchführen und währenddessen schon arbeiten. Falls noch Teile der Qualifikation nachgeholt werden müssen, weil nur eine teilweise Gleichwertigkeit festgestellt wird, hat man dazu bis zu drei Jahre Zeit.

Worum handelt es sich bei der Erfahrungssäule, auf die es bei der Fachkräfteeinwanderung außerdem ankommt?

Wer eine ausländische Berufsqualifikation und mindestens zwei Jahre aktuelle und einschlägige Berufserfahrung mitbringt, darf in Deutschland beschäftigt werden, wenn er mindestens 45 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung verdient oder wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Der Charme dabei ist, dass kein Anerkennungsverfahren erforderlich ist.

Welche Voraussetzungen gilt dafür zu erfüllen?

Der Bewerber muss Deutschkenntnisse mindestens auf dem Niveau A2 und eine staatlich anerkannte ausländische Berufsqualifikation mitbringen. Der deutsche Arbeitgeber muss ihm ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung unterbreiten. Dann müssen beide eine Vereinbarung treffen, wie sie, z.B. über Qualifikationsmaßnahmen, zu einer Anerkennung kommen.

Viele ausländische Studierende suchen Nebenjobs. Unter welchen Bedingungen dürfen sie hier arbeiten

Wer in Deutschland Vollzeit studiert, darf hier auch einen Nebenjob ausüben. Allerdings nicht unbegrenzt, sondern nur max. 120 Tage im Jahr. Demnächst sollen es 140 Tage sein und die Anrechnungsregelungen bei Teilzeit werden etwas flexibler.

Inwiefern wurden bei der Reform auch Drittstaatler berücksichtigt, die in Deutschland eine Ausbildung machen wollen?

Die Regelungen sind hier schon recht großzügig. Die ausländischen Azubis müssen lediglich Deutschkenntnisse mindestens auf dem Niveau B1 nachweisen. Außerdem müssen sie während der Ausbildung ihren Lebensunterhalt bestreiten können, das funktioniert in der Regel über die Ausbildungsvergütung, wenn das Ausbildungsunternehmen bei Kost und Logis unterstützt. Von daher sind hier bei der anstehenden Reform keine Rechtsänderungen geplant und unseres Erachtens auch nicht notwendig. Sehr wichtig sind allerdings Verbesserungen bei der praktischen Umsetzung – es ist wirklich anspruchsvoll, für sehr junge Leute, die alleine, in einer fremden Sprache und Kultur, Leben, Ausbildung und Prüfung erfolgreich meistern wollen, in Betrieb und Berufsschule Verantwortung zu tragen.