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Jürgen Vogl, Vorsitzender der Fachabteilung Catering im Dehoga Bundesverband zum Thema Ernährungsstrategie

Exklusiv-Interview mit Jürgen Vogl, Vorsitzender der Fachabteilung Catering im Dehoga Bundesverband, über die Ernährungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Wie stehen Sie zur Ernährungsstrategie des BMEL?

Die mit der Ernährungsstrategie verbundenen Zielsetzungen können wir grundsätzlich nachvollziehen. Dies gilt insbesondere für ihre Kernpunkte "Gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährungsumgebung schaffen", "Ressourcen- und klimaschonende Ansätze fördern" und "Ernährungskompetenz – gesunde und nachhaltige Ernährungsmuster fördern". Wir wollen uns konstruktiv in das weitere Verfahren einbringen, dazu gehört auch deutlich zu machen, was gut und was so nicht funktionieren kann.

Ist die Gemeinschaftsverpflegung tatsächlich ein Hebel?
Die Gemeinschaftsverpflegung in all ihren Segmenten mit täglich 17 Millionen Gästen bzw. Nutzern kann und will einen Beitrag leisten. Die Mitglieder der Fachabteilung Catering haben bereits seit Jahren vielfältige Programme und Aktionen dazu entwickelt.

Sind Sie bei der Erarbeitung der Maßnahmen in irgendeiner Form eingebunden?
Bislang waren die Mitgliedsunternehmen leider nicht eingebunden. Wir sind jederzeit bereit, aktiv und konstruktiv an der Diskussion über die Konzeption und Implementierung der Strategie mitzuarbeiten. Dies wurde auch bereits vom Dehoga deutlich eingefordert. Nur mit einer direkten Beteiligung aller Akteure wird es gelingen, die offenen Fragen zu klären und auch die Umsetzbarkeit der Maßnahmen zu gewährleisten.

Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass die Ziele der Ernährungsstrategie erreicht werden?
Nur bei aktiver und zeitnaher Einbeziehung aller beteiligten Partner in der Wertschöpfungskette können die Ziele erreicht werden. Es muss vielmehr über Anreize und Förderung als über Vorgaben und Verbote diskutiert werden. Denn es gilt die Verbraucher zu überzeugen. Auch muss offen und transparent über die Finanzierung gesprochen werden.

Sind die avisierten 30% Bio-Anbauflächen in Deutschland ausreichend für die ambitionierten Ziele?
Dazu gibt es eine Vielzahl offener Fragen. Gleiches Gilt für die verkündete Bio-Quote von 30 % in der Gemeinschaftsverpflegung. Verfügbarkeit und Finanzierung sind zu klären. Es sind hohe Investitionen erforderlich, die nur bei Planbarkeit, stabilen Rahmenbedingungen und angemessener Wirtschaftlichkeit getätigt werden. Dies benötigt Zeit.

Sollten die Standards der DGE nicht früher als 2030 verpflichtend sein?
Bereits seit vielen Jahren arbeiten die Unternehmen mit der DGE oder ähnlichen Instituten zusammen, d.h. bereits jetzt lehnen sich viele Programme der Unternehmen an diese Standards an. Wenn Standards verpflichtend eingeführt werden, müssen vorab die Rahmenbedingungen geklärt werden wie z. B. Verfügbarkeiten von Bio-Produkten wie auch die Frage der Finanzierung.

Sehen Sie die Finanzierung bei der Umsetzung der Strategie als Hürde?
Sicherlich ist die Frage der Finanzierung essentiell. Wir sind alle Wirtschaftsunternehmen, die eine angemessene Wirtschaftlichkeit erzielen müssen, um zukunftsfähig zu sein. Insofern ist die Frage, wer die Kosten der Maßnahmen trägt, noch völlig offen.

Was muss getan werden, damit die Strategie umgesetzt werden kann?
Zunächst müssen – wie bereits erwähnt – insbesondere alle Beteiligten, die Schlüssel bei der Umsetzung sind, in die Gespräche einbezogen werden. Der Schwerpunkt der Überlegungen sollte bei Anreizen und Förderung liegen, und nicht auf Verboten und Quoten. Steuerliche Anreize, Förderungen, Zuschüsse wären hierfür zu überlegende Komponenten. Die öffentliche Hand muss in künftigen Ausschreibungen Modellcharakter haben, d.h. hohe Gewichtung der qualitativen Kriterien, und weniger Gewichtung des Preises. Die Ziele können nicht bei den momentanen Preisvorgaben erreicht werden, das gehört auch zur Wahrheit. Unverzichtbar ist es bei allen Maßnahmen, die Wünsche und den Geldbeutel der 17 Mio. Menschen, die wir täglich verköstigen, im Blick zu haben.

Was würden Sie sich seitens der Politik wünschen?
Intensive Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Beteiligten. Realistische Vorgaben angesichts der reellen Marktsituation. Stabile Rahmenbedingungen, Förderung von Investitionen und Planbarkeit, dazu gehört insbesondere die dauerhafte Geltung der 7 % Mehrwertsteuer auf Essen in unseren Betrieben. Seit Jahren haben wir bereits Ziele der Strategie verfolgt, wir sehen aber auch mit unseren Partnern die Schwierigkeiten bei der operativen Umsetzung in die Realität: Volatile Nachfrage, hohe Preisorientierung in den öffentlichen Ausschreibungen, Beschaffung und Verfügbarkeit von Produkten, fehlende Planbarkeit für langfristige Investitionen, Durcheinander bei Definitionen, Vielzahl von Zertifizierungen und Siegeln. Bei der Umsetzung neuer Maßnahmen dürfen keine weiteren bürokratischen Belastungen auf die Betriebe zukommen.

Das gv-Praxis-Interview mit Jürgen Vogl finden Sie auch hier.