Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.
(DEHOGA Bundesverband)


Am Weidendamm 1 A, 10117 Berlin
Fon 030/72 62 52-0, Fax 030/72 62 52-42
info​[at]​dehoga.de, www.dehoga.de


DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges über klare Öffnungsperspektiven für das Gastgewerbe

Anlässlich einer Anfrage von t-online teilte der DEHOGA mit:

Seit fast sechs Monaten haben Restaurants, Kneipen und Hotels in Deutschland geschlossen. Während sich einige Gaststätten mit Abholangeboten durch die Corona-Krise hangeln, sind andere Betriebe komplett auf staatliche Hilfen angewiesen. Jetzt aber, nicht zuletzt angesichts der wachsenden Zahl von Deutschen, die nach Mallorca fliegen, erhöht das Gastgewerbe den Druck auf die Politik. Vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel dringt die Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, auf eine Perspektive für die Gastronomen und Hoteliers.

Frau Hartges, weil die Hotels in Deutschland zuhaben, machen viele Deutsche jetzt Urlaub auf Mallorca. Wie sehr schmerzen Sie die Bilder aus Spanien?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits ist es gut, dass es im Tourismus grundsätzlich wieder losgeht. Andererseits ist es extrem bitter, dass der Urlaub an der Nord- und Ostsee nicht möglich ist, obwohl auch dort die Corona-Inzidenz niedrig ist. Das ist nicht nachvollziehbar. Unsere Hotels sind keine Pandemietreiber. Die Schutz- und Hygienekonzepte funktionieren. Aber auch in Deutschland gibt es Öffnungen der Außengastronomie in bestimmten Regionen, so unter anderem in Rheinland-Pfalz und im Saarland, ebenso ist das in Schleswig-Holstein geplant. Dies ist zu begrüßen. Dort gemachte Erfahrungen können dazu beitragen, verantwortungsvolle Öffnungen in unserer Branche zu ermöglichen.

Rechnet sich die reine Außengastronomie denn überhaupt für die Wirte?

In einer Dehoga-Umfrage vom März gaben 84 Prozent der befragten Gastronomen an, dass sich die Außengastronomie allein betriebswirtschaftlich nicht lohnt. Das hängt natürlich auch von der Zahl der Außenplätze ab und derzeit insbesondere vom Wetter. Nicht wenige Betriebe wollen aber auf jeden Fall öffnen, weil das ein mutmachendes Signal ist für die Mitarbeiter, Gäste und Unternehmer.

Nach weiteren Lockerungen sieht es vor der nächsten Bund-Länder-Konferenz nicht aus. Was genau erwarten Sie von dem Treffen?

Nach sechs Monaten Lockdown erwarten wir, dass wir im Mai öffnen können. Dafür müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden. Es bedarf einer klaren Verabredung auf einen Maßnahmenkatalog, ab welchen Werten geöffnet werden kann und ab wann geschlossen werden muss. Neben den Inzidenzwerten müssen dabei weitere Faktoren für die Beurteilung der Infektionslage hinzugezogen werden wie die Impfquote, die Testungen, die Krankheitsverläufe und die Auslastung der Intensivstationen.

Was genau meinen Sie konkret?

Impfen, impfen, impfen – das muss jetzt absolute Priorität haben. Ausreichende Impf- und Testkapazitäten müssen geschaffen werden und dies mit maximalen Öffnungskapazitäten. Es ist nicht erklärbar, am Lockdown festzuhalten, wenn ein relevanter Teil der Menschen immun gegen Corona ist und eine erfolgreiche Teststrategie umgesetzt wird.

Was wäre denn ein "relevanter Teil"?

Für eine wissenschaftlich fundierte Antwort müssen Sie die zuständigen Experten fragen. Eines ist indes klar: Je höher die Impfquote, desto weniger lassen sich generelle Schließungen und Verbote rechtfertigen.

Die Quote liegt drei Monate nach Impfstart bei knapp 14 Prozent.

Ja. Der große Sprung bei den Impfungen durch das Einbeziehen der Hausärzte und durch mehr zur Verfügung stehenden Impfstoff aber macht Hoffnung, dass es jetzt schneller geht und damit weitere Lockerungen möglich sind – so die Öffnung der Hotels und Restaurants. Die Testungen sind natürlich ein weiterer wichtiger Baustein.

Dafür müssten die Hotels aber erst einmal überleben. Nach Ihren Angaben bangen 70 Prozent der Betriebe um ihre Existenz. Setzt durch Corona das große Hotel- und Gaststätten-Sterben ein?

Überlebenswichtig ist jetzt, dass die zugesagten staatlichen Hilfen zügig und umfassend für alle Betriebe zur Auszahlung kommen. Die Zukunftsängste nehmen zu. Zahlen zu Insolvenzen und Betriebsaufgaben liegen noch nicht vor. Allerdings sind mir neben einzelnen Insolvenzen auch eine Reihe von Gewerbeabmeldungen bekannt, etwa von Gaststättenbetreibern, die ihr Geschäft kurz vor dem Rentenalter wegen Corona jetzt aufgeben, weil sie ihre Altersvorsorge nicht auch noch verlieren wollen.

Fließt das Geld aus den Corona-Hilfen für die Betriebe inzwischen schneller?

Ja, zumindest für die meisten Betriebe. Bei 90 Prozent der Unternehmen sind jetzt die November- und Dezemberhilfen angekommen. Bei den übrigen 10 Prozent, die darauf noch immer warten, handelt es sich insbesondere um die Großen der Branche. Das sind Hotelgruppen und Restaurantketten, die vielfach in Innenstadtlagen hohe Pachten zahlen müssen – und die insgesamt rund 250.000 Menschen beschäftigen. Die Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. Hier müssen die Länder, die die Hilfen bewilligen, für eine schnellstmögliche Auszahlung sorgen.

Das klingt, als sei die finanzielle Situation für die Großen weiterhin bedrohlich.

Ja. Jeder, der jetzt immer noch kein Geld für die Monate November und Dezember erhalten hat, hat sehr große Probleme. Ein Jahr Pandemie hält auch das gesündeste Unternehmen nicht alleine durch. In dieser verheerenden Situation brauchen auch die Großen staatliche Unterstützung und Entschädigung. Das gilt insbesondere jetzt auch für die Überbrückungshilfe III. Alle Unternehmer, die von den Schließungen betroffen sind, müssen gleichbehandelt werden.

Was kann noch Abhilfe schaffen – außer mehr Tempo beim Auszahlen?

Neben verbesserten und schnellen Hilfen sowie verlässlichen Perspektiven fordern wir, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über den April hinaus bis zum 30. September verlängert wird. Das muss für die Unternehmen gelten, die noch keine Gelder erhalten haben. Wir haben teilweise erlebt, dass es vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Auszahlung mehrere Monate gedauert hat.

Die Mühlen mahlen also langsam. Wie sehr frustriert es Sie bei all dem persönlich, dass Sie immer wieder ähnliche Forderungen aufstellen – aber nur schwer Gehör finden?

Der Dehoga-Einsatz hat sich schon vielfach gelohnt. Der Dialog mit der Politik ist sehr intensiv. Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfen, Mehrwertsteuersenkung – für all diese und weitere Unterstützungsmaßnahmen haben wir gekämpft und werden dies weiterhin tun. Unbefriedigend ist, dass alles sehr bürokratisch, langwierig und kompliziert ist. Ich werde weiterhin mit vollem Einsatz für die Branche eintreten, weil sie es verdient, dass ihre Zukunft gesichert wird. Seit November sind unsere Betriebe erneut unverschuldet geschlossen, damit die Schulen und die übrige Wirtschaft – zunächst – geöffnet bleiben konnten. Wir erbringen ein Sonderopfer für die Gesellschaft. Und das muss auch angemessen entschädigt werden. Ich habe viel Kraft und auch Zuversicht. Ich liebe diese Branche.

Frau Hartges, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das T-Online Interview finden Sie hier.